Aktivieren, mehr werden, stärker werden

Die Transfertagung Erschließung & Organizing 2019

 

Foto: Sven Ehlers

Es war wieder so weit! 133 Erschließungsekretärinnen und -sekretäre aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich am 28./29. Mai 2019 in Frankfurt am Main zur jährlichen Transfertagung »Erschließung & Organizing« getroffen. Im Mittelpunkt standen die Themen und Erfahrungen der Teilnehmenden.

In vielen Diskussionen berichteten die Kolleginnen und Kollegen über alltägliche Herausforderungen in der Erschließungsarbeit. Bezirksübergreifend tauschten sie konkrete Praxiserfahrungen aus. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Wie nutzen wir die systematische und aktivierende Arbeitsweise aus der Erschließungsarbeit auch für Tarifrunden? Wie gehen wir Konzerne an? Wie können wir  unser Engagement bei der Gestaltung der Transformation dazu nutzen, neue Mitglieder zu gewinnen? Haben wir ein gemeinsames Verständnis von Erschließung und, wenn ja, was zeichnet es aus? Für den Blick über den Tellerrand sorgten Gäste aus anderen Gewerkschaften, die von vielen Beispielen berichteten, darunter auch welche aus anderen Ländern.

Voneinander lernen – Erfahrungsaustausch mal anders

Dass unsere Erschließungsarbeit erfolgreich ist, lässt sich leicht feststellen: In den Betrieben beteiligen sich mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Tarifauseinandersetzungen. Es gibt mehr Werberinnen und Werber, die neue Mitglieder gewinnen. Mehr Aktive engagieren sich an Aktivitäten gegen Union Busting und mehr Vertrauensleute sorgen dafür, dass die IG Metall ein Gesicht hat und in den Abteilungen und im Betrieb präsent ist. Die Frage ist: Wie haben wir das geschafft? Wie sind wir vorgegangen, welche Stolpersteine gab es? Was haben wir gelernt und was würden wir  das nächste Mal anders machen? Diese Fragen und viele mehr haben die Teilnehmenden zur Tagung mitgebracht und im »Open Space« diskutiert. Der »Offene Raum« ist eine Methode, die einen Rahmen schafft, in dem viele Menschen selbstorganisiert und selbstverantwortlich ihre Anliegen gemeinschaftlich bearbeiten können. Jeder und jede kann Anliegen und Themen anbringen. Sie werden zu Beginn der Veranstaltung formuliert und gesammelt. So entsteht ein großer »Themenmarktplatz«, auf dem sich die Teilnehmenden zu Themengruppen zusammenfinden.

Tarifbewegungen und Kampagnen nutzen

Erschließung bedeutet, Belegschaften zielgerichtet in einem  kollektiven Prozess im Betrieb zu aktivieren und sie zu befähigen, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eigene Themen aufzugreifen und in eigenem Interesse zu handeln. Ein zentrales Thema der Tagung war daher die Frage: Wie lassen sich die Erfahrungen aus der Erschließungsarbeit auch in den aktuellen Bewegungen nutzen? Am Beispiel der Leiharbeitskampagne, der Kfz-Tarifbewegung Hessen sowie dem Thema Transformation diskutierten und erarbeiteten die Kolleginnen und Kollegen  konkret, wie sich Erschließungsmethoden in diesen Bereichen anwenden lassen.

Die hessischen Metallerinnen und Metaller haben die Kfz-Tarifbewegung systematisch als Erschließungskampagne geplant. Noch vor dem Start der eigentlichen Tarifrunde haben sie den Ablauf gemeinsam besprochen und festgelegt. Eine Kampagne nach Erschließungsgesichtspunkten zielt darauf, dass wir am Ende stärker geworden sind und mehr Mitglieder und Aktive hinzugewonnen haben. Aber: Wie erreichen wir das und was ist dafür notwendig? Die Teilnehmenden überlegten sich verschiedene Aktionen, bereiteten Ansprachen vor und übten sie ein. Ganz wichtig: Bei allen Vorhaben bezogen sie nicht tarifgebundene Unternehmen mit ein.

Auch in der aktuellen Leiharbeitskampagne spielt die Einbindung der Beschäftigten eine wichtige Rolle. Die Kolleginnen und Kollegen haben das Thema Leiharbeit über eine Umfrage in die Betriebe getragen. Um mit den Beschäftigten dann ins Gespräch zu kommen, haben sie die Methode der kollektiven Betriebsratssprechstunde gewählt. Sie ermöglicht es, systematisch und umfassend mit vielen ins Gespräch zu kommen und über die  Tarifrunde zu informieren. Wer so vorgeht, stellt nicht nur einen einheitlichen Informationsstand her, sondern gewinnt auch viele neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

Die IG Metall hat eine Erhebung durchgeführt, um zu erfahren, wie die Unternehmen bei der Transformation aufgestellt sind. Das Ergebnis der Befragung ist der Transformationsatlas. Er zeigt, dass viele Unternehmen  noch nicht vorbereitet können auch für die Arbeit mit den Beschäftigten nutzbar gemacht werden. Was das betrifft, hat die IG Metall in der Erschließungsarbeit viele gute Erfahrungen gesammelt.  Oft müssen dazu zunächst Diskussionen im Betrieb stattfinden. Wie diese gestaltet und angestoßen werden, wie wir vom Reden ins Handeln kommen und am Ende auch mit mehr Mitgliedern durchsetzungsfähiger sind, ist tägliche Arbeit der Erschließungssekretärinnen und -sekretäre.

Erschließung ist auch eine Führungsaufgabe, weil sie vor allem Veränderung bedeutet. Dies diskutierte  das Forum für Führungskräfte intensiv an zwei sehr eindrücklichen, aber auch unterschiedlichen Beispielen: den Geschäftsstellen Mannheim und Ostsachsen. Beide haben sich auf den Weg gemacht, eine Erschließungsgeschäftsstelle zu werden und stehen dabei vor verschiedenen Herausforderungen: hier eine Geschäftsstelle im Osten an der Grenze zu Polen mit vielen Leiharbeitenden und da eine im Westen mit einer traditionellen Großbetriebsstruktur, die sich aktuell stark wandelt.

Was war der Ausgangspunkt und wie kam es zu der Entscheidung für eine  proaktive Erschließungsarbeit? Wie haben die Geschäftsstellen das politische Veränderungsprojekt in ihren Strukturen verankert? Wer trägt die Aktivitäten? Wo kommt es zu Ressourcenengpässen  und wie geht man damit um? Wie können Bezirk und Vorstand die Arbeit vor Ort unterstützen? Wie sieht die veränderte Arbeitsweise aus? Welche Kompetenzen müssen wir uns noch aneignen?  Diese und viele andere Fragen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lebhaft. Ihr Fazit: Wir alle in der IG Metall sind aufgefordert, gemeinsame Antworten zu finden.

Erschließung bedeutet, stärker zu werden. Erschließungs- und Organizingmethoden geben uns hilfreiche Werkzeuge in die Hand, mit denen wir dieses Ziel erreichen. Erschließung bedeutet auch, sich zu verändern und seine gewohnten Arbeitsweisen zu überdenken. In diesem Bereich sind wir als IG Metall in den letzten Jahren einen großen Schritt vorangekommen.