Mit Telefonblitz, kollektiven Sprechstunden und Toraktion zum Tarifvertrag

Wenn alle an einem Strang ziehen, kann viel erreicht werden: Bei der Deutschen Accumotive in Kamenz organisierten sich über 800 Beschäftigte und setzten die Tarifbindung durch! Beide Erfolge binnen nur anderthalb Jahren. Schlüssel zum Erfolg war der systematische Einsatz von Organizingmethoden und der starke Zusammenhalt zwischen allen Beschäftigtengruppen.

Die hundertprozentige Daimler-Tochter Accumotive ist eines der wichtigen Standbeine des Konzerns für die Mobilitätswende und war dennoch der einzige Produktionsbetrieb ohne Tarifbindung. Seit 2009 ist die Zahl der Beschäftigten von 580 auf über 2000 gestiegen. Sie stellen Lithium-Ionen-Batterien für die Antriebe der Zukunft her.

Wichtig für den Erfolg war, dass die Geschäftsstelle Ostsachsen, der Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen und das Ressort Erschließung beim IG Metall-Vorstand ihre Kräfte bündelten – personell und beim Know-how. Der Betriebsratsvorsitzende Christian Schulze und die Gewerkschaftssekretäre Axel Drescher und Petra Jentzsch erklären den Erfolg.

Von einem Dutzend auf über 800 Mitglieder in 18 Monaten – wie habt Ihr das geschafft?

PETRA Das Wichtigste war, die Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Wir haben gemeinsam eine systematische Kampagne entwickelt, eine Strategie- und Umsetzungsplanung mit klarer Rollen- und Aufgabenverteilung gemacht sowie messbare Ziele gesetzt. Die Verantwortung für die Umsetzung lag stets bei der Geschäftsstelle, der Bezirk hat bei der Durchführung unterstützt. Wir vom Ressort Erschließung haben strategische Beratung geleistet und die Umsetzung teilweise neuer und kreativer Methoden vor Ort begleitet.

Was war dabei die Herausforderung?

AXEL Wir mussten bei null anfangen, es gab nur zwölf Mitglieder und nur ein kleiner Teil der Belegschaft kannte die Vorteile von Betriebsrat und Gewerkschaft. Zudem ist die Belegschaft sehr vielfältig: viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und ein hoher Anteil ausländischer Beschäftigter, oft aus Polen. Im Projekt galt es, alle mitzunehmen! Das war nicht einfach, aber es ist gelungen!

Welche Schritte und Methoden waren für den Erfolg besonders wichtig?

CHRISTIAN In der ersten Phase mit Ansprache am Arbeitsplatz, aktiver Mittagspause, Eins-zu-eins- und Kleingruppengesprächen konnten wir bereits einige Dutzend Beschäftigte für die IG Metall und unseren Aktivenkreis gewinnen. Aber der Standort wuchs rasch, eröffnete ein zweites Werk und heuerte sehr viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter an. Um mit dieser Dynamik Schritt zu halten, haben wir kollektive Betriebsratssprechstunden durchgeführt. Diese Methode war höchst erfolgreich: Ganze Abteilungen und Schichten sind geschlossen von den Betriebsräten erreicht worden.

AXEL Wir haben gezielt unter Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern Schlüsselpersonen identifiziert und in den Aktivenkreis einbezogen. Die Sprechstunden haben wir thematisch an die Leiharbeitssituation angepasst, den Betriebsrat des Verleihers und einen Dolmetscher eingebunden. So konnten wir auch diese Beschäftigtengruppe erreichen und eine dreistellige Zahl neuer Mitglieder gewinnen.

In der heißen Phase habt Ihr den Telefonblitz als Methode eingesetzt. Wie hat das funktioniert?

PETRA Sehr gut. Wir wollten in kurzer Zeit mit vielen Kolleginnen und Kollegen sprechen, um so richtig Bewegung auszulösen. Also haben wir eine Telefonaktion gestartet, bei der zehn Ehrenamtliche – auch polnische – binnen drei Stunden fast 250 Mitglieder angerufen haben. Wir nennen das Telefonblitz. Fast alle Angerufenen haben sich bereit erklärt, an einer Toraktion teilzunehmen, und viele haben zugesagt, weitere Beschäftigte mitzubringen. So ein kurzes Telefongespräch ist viel persönlicher, verbindlicher und effektiver als ein Flugblatt. Da der Telefonblitz durch Software und externe Dienstleister unterstützt und vom Ressort Erschließung finanziell gefördert werden kann, ist der Zeitaufwand aber selbst bei sehr vielen Gesprächen verhältnismäßig gering

Welche Tipps habt Ihr für Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem Betrieb etwas bewegen wollen?

CHRISTIAN Die kollektiven Sprechstunden sind für uns Gold wert, wir haben einen super Draht zur Belegschaft bekommen. Zudem konnten wir die Methode nach ersten Erfahrungen hervorragend in unsere Regelarbeit integrieren. Nun machen wir zum Beispiel auch besondere Sprechstunden für neue Beschäftigte, um diese für Betriebsrat und IG Metall zu begeistern.

AXEL Die Telefonaktion war eine wichtige Erfahrung. Die Mitglieder haben es als wertschätzend empfunden, dass Betriebsrat und Aktive sie angerufen haben. Es haben sich sogar Mitglieder beschwert, die nicht angerufen worden sind, und haben uns ihre Nummer nachgereicht. Gerade wenn es um die Aktivierung für wichtige Themen wie Tarifauseinandersetzungen oder Vertrauensleutewahlen geht, ist die Methode hocheffizient.

ANSPRECHPARTNER

Axel Drescher

IG Metall Ostsachsen

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