Union Busting

Zerreißprobe für Betriebsräte

06.06.2017 Ι Wenn Arbeitgeber Betriebsräte jagen, greifen sie tatsächlich alle Beschäftigten an – ihre Arbeitsplätze, ihre Arbeitsbedingungen, ihre Rechte und ihre Mitbestimmung. Wie sich Betroffene mithilfe der IG Metall wehren können, zeigen unsere Beispiele.

Sie wehren sich gegen Angriffe auf Arbeitnehmerrechte, gegen Kündigungen und Lohnkürzungen: die Betriebsräte von KLS. (Foto: Martin Goldhahn)

Mehr als zwei Drittel der Belegschaft hat die neue Geschäftsführung in den letzten zwei Jahren ausgetauscht. Früher arbeiteten hier bei KLS Pharma Robotic im saarländischen Weiskirchen 60 Festbeschäftigte, heute ist ein Großteil befristet. Facharbeiter verdienen knapp 12 Euro in der Stunde. Zudem sind 16 Auszubildende hier, die für knapp 600 Euro im Monat als billige Aushilfen unter anderem im Callcenter arbeiten. Es hagelt Abmahnungen und Kündigungen.

Die Beschäftigten wählten sich mit Unterstützung der IG Metall einen Betriebsrat, damit er sie schützt. Doch der steht unter Dauerbeschuss: Kündigungen, Hausverbote, Lohnkürzungen und Klagen.

Dabei sind Betriebsräte und Mitbestimmung laut Betriebsverfassungsgesetz gutes demokratisches Recht der Beschäftigten. Doch dieses Recht wollen viele Chefs nicht anerkennen, auch bei KLS nicht. Dem Betriebsratsvorsitzenden Armin Bommer (im Foto unten links) wollte die Geschäftsführung bereits zweimal fristlos kündigen.

Faires Miteinander auf Augenhöhe

Früher war Bommer stellvertretender Werkstattleiter. Doch die Geschäftsleitung versetzte ihn in den Service, wo er oft auf Montage muss und kaum Betriebsratsarbeit machen kann. Die Schreiben, mit denen ihn die Geschäftsführung bombardierte, erledigte Bommer am Wochenende zu Hause. Mittlerweile haben sie ihn „freigestellt“ und wollen ihm dafür Urlaub abziehen und den Lohn kürzen. Dabei wollen die Betriebsräte einfach nur ein faires Miteinander auf Augenhöhe. „Früher hatten wir mit der Geschäftsführung ein gutes Verhältnis. Wir wurden gefragt. Da haben wir gerne auch mal länger gearbeitet“, erklärt Bommer.

„Heute gibt es nur noch Anweisungen – und das oft sehr kurzfristig.“ Die IG Metall in Völklingen unterstützt die Betriebsräte und die 35 IG Metall-Mitglieder bei KLS. Allein im letzten Jahr gab die IG Metall in 35 Fällen Rechtsschutz bei KLS. Alle haben vor Gericht etwas gewonnen: Abfindungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder Reisekosten, die ihnen die Firma einfach nicht zahlenwollte. Das gibt Armin Bommer die Kraft, durchzuhalten. „Juristisch sind wir im Recht“, erklärt er. „Das Problem ist, den Psychoterror auszuhalten.“

Jahre vor Gericht

Denn mit dem Recht ist es schwierig: Die Gerichtsverfahren ziehen sich oft über Monate hin. Die Kündigungsklagen gegen die Betriebsräte bei KLS werden erst im Herbst verhandelt. Dabei ist die Behinderung von Betriebsräten sogar eine Straftat nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Doch das verfolgt der Staat nur selten.

Beim Kunststoffbauteilehersteller New Albea im badischen Seelbach hat es doch einmal geklappt. Auch hier schoss ein neuer Geschäftsführer permanent gegen den Betriebsrat, um niedrige Löhne zahlen und durchregieren zu können. Die IG Metall Offenburg stellte Strafanzeige – und der Staatsanwalt brachte den Fall tatsächlich vor Gericht.

Im März gab das Arbeitsgericht Lahr dem Strafantrag endlich statt und verurteilte die Geschäftsführung zu Strafen von rund 37 000 Euro. Bei der Verkündung des Urteils hielt sich der Geschäftsführer die Ohren zu. In vielen Betrieben in der Region hat der Sieg vor Gericht für Jubel und mehr Selbstbewusstsein gesorgt. Bei New Albea selbst allerdings sind viele der alten Betriebsräte längst weg. Dafür sitzen Leute des Arbeitgebers im Betriebsrat. Vier Jahre sind seit der Strafanzeige vergangen.

Vereint gegen Union Busting

Wie es anders geht, zeigte die Belegschaft des Autozulieferers Elco im rheinland-pfälzischen Betzdorf. Als die Beschäftigten dort vor zwei Jahren einen Tarifvertrag forderten, holte der Arbeitgeber die berüchtigte Union-Busting-Anwaltskanzlei Schreiner + Partner ins Haus. Doch der Betriebsrat wehrte sich mit Hilfe der IG Metall. Und die Belegschaft stellte sich hinter ihren Betriebsrat und trat in den Warnstreik. Nach einer Stunde knickte die Geschäftsführung ein. Sie feuerte die Anwälte und nahm Verhandlungen auf. Heute gilt bei Elco der Tarifvertrag der Metallindustrie.

Im Autohaus Süverkrüp in Kiel ging die Solidarität noch weiter: Nicht nur die Süverkrüp-Belegschaft, sondern auch die Beschäftigten der umliegenden Betriebe stellten sich hinter den Betriebsratsvorsitzenden Sven Kronfeld. Süverkrüp hatte das Autohaus mit zwei anderen Standorten letztes Jahr von Daimler übernommen. Seitdem setzt sich Autoverkäufer Kronfeld für faire Betriebsratswahlen an allen Süverkrüp-Standorten und für einen Tarifvertrag ein. Das passte der neuen Geschäftsführung nicht. Sie wollte Kronfeld fristlos kündigen.

Doch die IG Metall Kiel-Neumünster machte öffentlich Druck und rief Anfang Mai zu einer Solidaritätskundgebung auf. Die war nicht mehr nötig: Die Geschäftsführung lenkte ein. Die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden ist vom Tisch.